Atypisch stille Beteiligung

 

02.05.2007

 

Bei der Vericon AG handelt es sich um eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Königstein/Taunus. Sie wurde initiiert von Herrn Kurt Marsden, der in Bad Honnef wohnt.

 

Bei der Vericon AG (bzw. Vericon Beteiligungs AG) handelt es sich um eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die Kapital am Markt unter anderem mit atypisch stillen Beteiligungen einwarb. Die Einlagen der Anleger wurden in hochriskante Private Equity Gesellschaften transferiert.

 

Unter anderem wurde in die Cobra Craft AG & Co. KGaA, Berlin, investiert, die ein Produkt mit dem Namen "Clubber Energy", wohl einem bislang unbekannten und erfolglos gebliebenem Energy Drink, vertreiben sollte.

 

Allerdings waren sämtliche Investitionsvorhaben allesamt Fehlschläge mit der Folge, dass die Vericon AG zahlungsunfähig wurde. Diese Entwicklung zeichnete sich schon so früh ab, dass der zuständige Wirtschaftprüfer sie bereits im Jahre 2004 erkannte und über mehrere Jahre eine "angespannte Lage" und "bestandsgefährdende Risiken der Gesellschaft" attestiert hatte.

 

Dennoch wurde unverdrossen unter Verschweigen der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage Anlegerkapital eingeworben, einerseits in Form von Einmalanlagen, andererseits in Form von Ratenzahlungen.

 

Am 31.01.2007 waren die Vorstände der Aktiengesellschaft gezwungen, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Am 13.02.2007 ist Rechtsanwältin Amend aus Kronberg zur (vorläufigen) Insolvenzverwalterin bestellt worden.

 

Das gerichtliche Aktenzeichen lautet: 9 IN 128/06.

 

Zwischenzeitlich werden die Anleger von verschiedenen Interessensgemeinschaften angeschrieben. Es handelt sich hierbei um die Informa Interessensgemeinschaft geschädigter Kapitalanleger (Dortmund), The Experience (Oberhausbergen/ Frankreich) und die IG Vericon (Stuttgart).

 

Angeblich versucht die Insolvenzverwalterin, die ausstehenden Einlagen von den Anlegern einzutreiben. Alle drei Interessensgemeinschaft verweisen auf ihre Möglichkeiten, diese Ansprüche abzuwehren und gleichzeitig die Einlagen zurückzuerhalten.

 

Wir als Anlegerschutzanwälte sehen diese Aktivitäten sehr kritisch an. Insbesondere sollte ausländischen, nicht mit der deutschen Rechtswirklichkeit vertrauten Interessensgemeinschaften oder solchen, die anstelle von fundierten Informationen zum Fall und dessen Lösung lediglich einen Flyer verbreiten, mit äußerstem Misstrauen begegnet werden.

 

Aber auch Interessensgemeinschaften, die eine Bündelung der Interessen vorgeben und auf Anwälte verweisen, können zu einem zusätzlichen Aufwand und zu einer Verbürokratisierung führen. Keine Interessensgemeinschaft ist berechtigt, Rechtsberatung durchzuführen. Zu den Mitgliedsbeiträgen kommen in jedem Fall die Rechtsanwaltskosten hinzu, falls ein Anwalt mit der Interessensvertretung beauftragt wird. Die Erstberatung durch den Anwalt ist erfahrungsgemäß nur eine erste, oftmals standardisierte Bestandaufnahme des Falles, mit der der Anleger selbst kaum etwas Zielführendes anfangen kann. Der Weg zum Rechtsanwalt wird immer, auch ohne eine Interessensgemeinschaft, notwendig, wenn Ansprüche gerichtlich abgewehrt oder durchgesetzt werden sollen. Empfehlenswert ist in solchen Angelegenheiten die Kontaktierung eines mit der Materie des Kapitalanlagerechts langjährig vertrauten Fachmannes auch schon vorgerichtlich, um gegebenenfalls eine schnelle Vergleichslösung zu erzielen und lang andauernde und kostenintensive Gerichtsverfahren zu vermeiden.

 

Im Übrigen ist streitig, ob die Insolvenzverwalterin RA'in Amend im konkreten Fall Vericon AG mit ihrem Begehren durchdringt. Immerhin gibt es signifikante Unterschiede zwischen einem Kommanditisten, der seine Einlage noch nicht erbracht hat, und einem stillen Gesellschafter, dessen Beteiligung gerade nicht öffentlich im Handelsregister bekannt gemacht worden ist. Im Falle der Kommanditbeteiligung bedarf es einer genauen Sachverhalts- und Rechtsanalyse, da hier die Rechtslage sehr kompliziert ist und in vielen Fällen der Anspruch auf die ausstehende Einlage besteht.

 

Grund für diese Nachforderung ist, dass sich ein außenstehender Gläubiger nicht auf die Absprachen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern verweisen lassen muss, sondern sich an die Eintragungen im Handelsregister halten kann. Hier werden unter anderem auch die Kommanditbeteiligungen in voller Höhe ausgewiesen. Wenn diese noch nicht vollständig erbracht sind, z.B. weil eine ratenweise Zahlung vereinbart ist, hat der Gläubiger das Recht der sofortigen Erfüllung durch den Anleger.

 

Diese Registerpublizität gibt es im Bereich der (typischen oder atypischen) stillen Beteiligungen nicht. Daher wird von uns mit guten Argumenten vehement vertreten, dass eine Pflicht zur Erbringung der ausstehenden Einlagen nicht besteht, weil sich der außenstehende Gläubiger eben nicht darauf berufen kann. Denn im Zweifel weiss er nichts von der stillen Beteiligung und der vereinbarten Höhe der Einlagen. Die Gegenauffassung stützt sich auf eine Vorschrift im Handelsgesetzbuch (§ 236 HGB), aus welcher das Gegenteil hergeleitet werden könnte.

 

Ich werde mich für meine Mandanten gegen diese Ansprüche wehren, wobei offensichtlich nicht alle Anleger von der Insolvenzverwalterin angeschrieben worden sind und die sogenannten Interessensgemeinschaften teilweise Behauptungen ins Blaue hinein verbreiten.

 

In ähnlich gelagerten Fällen ist es mir gelungen, Ansprüche auf Erbringung der ausstehenden Einlagen im Zusammenhang mit einer Kommanditgesellschaft in drei Gerichtsinstanzen (Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) abzuwehren, was, wie bereits erwähnt, auf Grund der Registerpublizität wesentlich schwieriger war als im Bereich der stillen Gesellschaften.

 

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