So verkehrt sich angeblicher Verbraucherschutz ins Gegenteil

 

 

Manche Vorschriften stehen unter der Überschrift Verbraucherschutz, sie stellen bei genauerem Hinsehen das genaue Gegenteil dar: Sie begünstigen einseitig die Anbieter bzw. die Banken. Eine besondere Falle stellt hierbei eine Regelung zur Hemmung der Verjährung dar, welche völlig unscheinbar in § 497 Abs. 3 S. 2 BGB versteckt ist. Hiernach werden die Ansprüche der Bank (nicht der Verbraucher/Darlehensnehmer!) für den Zeitraum von zehn Jahren gehemmt, so dass die Banken zusammen mit der allgemeinen Verjährungsregelung des § 195 BGB 13 Jahre lang Zeit haben, rückständige Forderungen auf Zinsen, laufende Tilgungen und auf das Darlehen selbst geltend zu machen. Zwar mag diese Regelung ihren Sinn für ein laufendes Darlehensverhältnis haben, in dem der Darlehensnehmer wegen Zahlungsschwierigkeiten mit einigen Raten vorübergehend in Rückstand gerät. Sollte in diesem Fall die Bank gezwungen werden, vor Ablauf der regulären dreijährigen Verjährungsfrist gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, könnte dies für den Darlehensnehmer belastend wirken.

 

Allerdings kann sich diese Vorschrift auch ins Gegenteil verkehren, wenn sie von Bankenseite einschränkungslos benutzt wird. Erschwerend wirkt dies auch in Kombination mit der Spezialvorschrift des § 133 Abs. 3 UmwG. So kann der Verbraucherschutz vollkommen und ganz gezielt ausgehebelt werden, wie der folgende Fall zeigt.

 

Der Anleger hatte sich an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Eine Geschäftsbank hatte sich im Vorfeld bereit erklärt, die Finanzierung der Immobilie und auch die Finanzierung der Fondsbeteiligungen zu übernehmen. Es handelte sich also um ein verbundenes Geschäft. Schon kurz nach der Auflegung des Fonds geriet er in Zahlungsschwierigkeiten und musste im Laufe der folgenden Jahre abgewickelt werden. Die bei der Beratung begangenen Fehler schlagen also auch auf die finanzierende Geschäftsbank durch, so dass grundsätzlich ein Anspruch auf Rückabwicklung gegeben wäre: Der Anleger erhält die gezahlten Zinsen und Tilgungsanteile zurück und kann die Beteiligung an die Geschäftsbank übergeben.

 

Unter gezielter Ausnutzung der oben genannten Vorschriften geschah jedoch Folgendes: Die Geschäftsbank hatte den Geschäftsbetrieb „Notleidende Kredite zur Finanzierung der Fondsbeteiligungen“ auf ein anderes Kreditinstitut übertragen, welches im heutigen Sprachgebrauch als „bad bank“ bezeichnet wird. Im Ausgliederungsvertrag zwischen der Geschäftsbank und der „bad bank“ war geregelt, dass nur die Forderungen auf Rückzahlung der Kredite und der Zinsen übertragen wurden, nicht aber die Gegenrechte der Darlehensnehmer/Anleger auf Schadenersatz wegen Falschberatung. Eine kleine Mitteilung von dieser Ausgliederung wurde dem Anleger übermittelt, und zwar zu einem Zeitpunkt, als dieser die Zahlungen an die Geschäftsbank schon mehrere Jahre eingestellt hatte. Sieben Jahre nach der Ausgliederung und elf Jahre nach der Einstellung der Zahlungen kam die „bad bank“ auf den Anleger zu und wollte die ausstehende Darlehensvaluta und die rückständigen Zinsen beitreiben. Trotz dieses langen Zeitablaufs, wo man eigentlich denken könnte, die Verjährung sei eingetreten, hatte die „bad bank“ vor Gericht Erfolg, und zwar aus folgenden Gründen:

 

Die „bad bank“ machte die ihr übertragenen Forderungen aus dem beendeten Darlehensverhältnis geltend. Hierbei konnte sie sich als Inhaberin der Forderungen auf die zehnjährige Verjährungshemmung berufen und auf die dann beginnende dreijährige Verjährungsfrist, so dass die Ansprüche zwölf Jahre nach Zahlungseinstellung und neun Jahre nach Fälligkeit des Darlehens nicht verjährt waren.

 

Nicht so aber die Gegenansprüche des Anlegers aus Falschberatung. Im Ausgliederungsvertrag, den der Anleger nicht kannte, weil er nicht permanent das Handelsregister einer fremden Stadt verfolgt, stand jedoch, dass die „bad bank“ die gegen die Geschäftsbank bestehenden Gegenrechte nicht übernimmt. Infolgedessen verblieben diese, für den Anleger unerkannt, bei der Geschäftsbank. Und hierfür gilt im Gegensatz zu den Forderungen der Bank nur die dreijährige Verjährungsfrist. Die Gegenansprüche waren zu dem Zeitpunkt, wo sie gebraucht wurden, endgültig verloren, da verjährt.

 

Dieser misslichen Situation hätte mit der Sondervorschrift des § 215 BGB noch begegnet werden können. Diese besagt nämlich, dass dann, wenn eine Forderung bereits verjährt und nicht mehr eigenständig durchgesetzt werden kann, sie doch noch als Abwehrinstrument gegen Forderungen des Vertragspartners einsetzbar ist. Wenn sich die eigene Forderung und die Gegenforderung einmal in unverjährter Zeit gegenüber standen, wird die Durchsetzung der Gegenforderung in dieser Höhe blockiert.

 

Gegen diese günstige Regelung half der „bad bank“ aber die Vorschrift aus dem Umwandlungsgesetz, die in solchen Ausgliederungsfällen zur Anwendung kommt: § 133 Abs. 3 UmwG. Vom Grundsatz her hat die „bad bank“ ja nicht falsch beraten, das war die Geschäftsbank. Dennoch hat die „bad bank“ im Wege der Ausgliederung den gesamten Geschäftsbetrieb übernommen, also eigentlich auch die Gegenforderungen des Anlegers. Allerdings wurde im Ausgliederungsvertrag eine „Rosinenpickerei“ betrieben: die Forderungen gegen die Darlehensnehmer wurden übernommen, die Belastungen (i.e. die Haftungsansprüche der Darlehensnehmer) bei der Geschäftsbank belassen. Zwar haftet der Übernehmer (also die „bad bank“) für die Schulden des Übertragenden (hier der Geschäftsbank) für die Dauer von fünf Jahren mit, aber danach ist sie frei und für die alten Schulden haftet nur der Überträger. 

 

Die „bad bank“ hat im entschiedenen Fall geschickt die fünfjährige Nachhaftungsfrist verstreichen lassen und kurz vor dem Ablauf der 13-jährigen Verjährungsfrist die Darlehensforderungen gegen den Anleger eingeklagt. Damit kam sie vor Gericht durch: ihre Forderungen waren noch durchsetzbar, die Gegenrechte des Anlegers hingegen gegenüber der Geschäftsbank verjährt und konnten über § 215 BGB wegen § 133 Abs. 3 UmwG nicht der „bad bank“ entgegengehalten werden.

 

Anlässlich dieser einseitig die Banken begünstigenden Regelung ohne Beachtung des eigentlich verbraucherschützenden Sinns kann sich die Anbieterseite einen Vorteil verschaffen, der sich ins Gegenteil von dem verkehrt, was eigentlich gemeint war. Wenn der Gesetzgeber dies nicht bedacht hatte, ist das bedauerlich. Sollte es so gewollt gewesen sein, haben die Lobbyisten der Banken gute Arbeit geleistet. Der Verbraucherschutz bleibt an dieser Stelle aber auf der Strecke.

 

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